Hugo van der Goes – ZwischenSchmerz und Seligkeit
Kuratoren: Stephan Kemperdick, Erik Eising
Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
31.03.2022 – 16.07.2023

Sonderausstellung auf 700 qm
Ausstellungsarchitektur, Produktionsleitung
in Arbeitsgemeinschaft mit Bach Dolder Architekten und Matthias Förster

Hugo van der Goes (um 1440–1482/83) war der wichtigste niederländische Künstler der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seine Werke beeindrucken durch ihre Monumentalität und intensive Farbigkeit ebenso wie durch ihre erstaunliche Lebensnähe und emotionale Ausdrucksstärke. 540 Jahre nach dem Tod des Künstlers, feiert die Berliner Gemäldegalerie eine Premiere: Zum ersten Mal werden fast alle erhaltenen Gemälde und Zeichnungen des Künstlers in einer Ausstellung präsentiert.

Obwohl Hugo van der Goes in einem Atemzug mit bahnbrechenden Meistern wie Jan van Eyck und Rogier van der Weyden genannt werden muss, wurde seinem Gesamtwerk nie eine monografische Ausstellung gewidmet. Das dürfte sowohl an der Seltenheit seiner Werke als auch an deren oft großem Format liegen. Zwei seiner monumentalen Arbeiten, der „Monforte-Altar“ (um 1470/75) und die „Geburt Christi“ (um 1480), befinden sich in der Gemäldegalerie in Berlin. Aus diesem Grund bietet sich die Sammlung wie keine andere für eine Sonderausstellung an. Beide Berliner Tafelbilder sind in den vergangenen zwölf Jahren aufwendig restauriert worden und zeigen sich in einer zuvor ungeahnten Frische. Auch van der Goes‘ spätes Meisterwerk, der „Marientod“ des Groeningemuseums in Brügge, das Flandern bisher noch nie verlassen hat, wurde jüngst umfassend restauriert und wird einen Höhepunkt der Berliner Schau darstellen.

Die Biografie des Hugo van der Goes fasziniert heute in demselben Maße wie seine Gemälde. Der ab 1467 in Gent als selbständiger Meister tätige Maler brach Mitte der 1470er-Jahre seine erfolgreiche weltliche Karriere aus unbekannten Gründen ab und trat als Laienbruder in ein Kloster bei Brüssel ein. Dort entstanden dann die meisten seiner bewahrt gebliebenen Werke. Nach einigen Jahren im Kloster aber wurde Hugo plötzlich von einer rätselhaften Geisteskrankheit befallen, von der ein Mitbruder später berichtete: Der Maler glaubte sich verdammt und versuchte sich das Leben zu nehmen. Im späten 19. Jahrhundert wurde van der Goes deshalb als Prototyp des „wahnsinnigen Genies“ betrachtet, mit dem sich sogar Vincent van Gogh identifizierte.

Anhand von etwa 60 hochkarätigen Exponaten, darunter Leihgaben aus 38 internationalen Sammlungen, wird die Berliner Ausstellung die Kunst des Hugo van der Goes in zuvor nie dagewesener Weise erlebbar machen. Im Mittelpunkt stehen zwölf der 14 heute van der Goes zugeschriebenen Gemälde sowie die beiden als eigenhändig erachteten Zeichnungen. Darüber hinaus werden einstmals bekannte, im Original jedoch verlorene Kompositionen des Meisters in zeitgenössischen Wiederholungen und Nachzeichnungen präsentiert. Zuletzt widmet sich die Ausstellung der unmittelbaren Nachfolge des Malers mit einer Auswahl herausragender, deutlich von Hugo van der Goes‘ Stil geprägter Werke wie dem spektakulären „Hippolytus-Triptychon“ des Museum of Fine Arts, Boston und der berühmten „Anbetung Christi“ des französischen Malers Jean Hey aus dem Musée Rolin in Autun.

In der Gemäldegalerie werden die Werke eines der bedeutendsten europäischen Künstler an der Wende zur Frühen Neuzeit zum ersten Mal nahezu vollzählig zusammengebracht. Van der Goes wusste die Gefühlsregungen seiner Figuren mit größtem Einfühlungsvermögen wiederzugeben – sowohl himmlische Seligkeit als auch irdischen Schmerz. Diese widersprüchlichen Zustände lagen offenbar auch in seinem eigenen Leben eng beisammen. So erscheint der Maler des Spätmittelalters heute noch überraschend modern.